Peter Baeumle-Courth
Die kleine Echse
Auf einem Stein sitzt eine kleine Echse. Sie bewegt sich nicht, genießt die Sonne.
Mein Smartphone brummt. Ich erfahre, dass im Kino wieder interessante Filme gezeigt werden. Andrea lässt sich scheiden. Aus Österreich kommen immer wieder Werke mit etwas kauzig wirkenden Personen. Die Herrlichkeit des Lebens. Wer hat nicht etwas von Franz Kafka gelesen? Perfect Days. Wim Wenders zeigt einen meist sehr zufriedenen Toilettenreiniger und Tokios wohl schönste öffentliche WC-Anlagen. Dazu Musik von Lou Reed von einer Musikkassette in einem kleinen Kleinbus. Jugendliche Erinnerungen an Bandsalat, immer in der Hoffnung, die Kassette wieder reparieren zu können. Und ab und zu gelang die Reparatur tatsächlich!
Kinos sollen unbedingt bleiben. Auch nach Corona. Auch in der Zeit der Streaming-Dienste. Genauso wie Restaurants und Cafés bleiben sollen. In der Zeit der Lieferdienste. Ebenso kleine und, nun ja, auch große Läden. Selbst wenn das Bestellen vom Sofa aus bequem sein kann.
Genug geträumt. Ich mache mich auf, gehe in das kleine Café, das hier in der Nähe vor Kurzem eröffnet hat. Die brauchen Kundschaft. Auf der Terrasse ist noch Platz. „Einen Kaffee, bitte. Ohne Milch. Ohne Zucker.“
Am Nebentisch unterhalten sich engagiert zwei Frauen: Wie unsicher Lastenräder wirklich sind. Wie es mit den Autos in der Stadt weitergehen soll. Dass es ohne nicht geht. Nicht mit zwei Kindern und dem Kontrabass zur Musikschule. Mit dem Zug dauert die Fahrt zur Oma mindestens doppelt so lange. Seit Opa in dem Herbst damals viel zu früh gestorben ist, muss Oma etwas häufiger besucht werden. Und Oma freut sich immer sehr, wenn sie Besuch bekommt.
Mein Blick fällt auf die Straße. Sie ist nicht sehr breit. Wenn sich Autos begegnen, kommen sie nicht immer einfach aneinander vorbei. Fährt jemand mit dem Rad, geht es etwas langsamer voran. Überholen geht nur gelegentlich. Vielfarbige Wahlplakate hängen an Laternen. Die großformatigen Gesichter wollen unser Bestes: Freiheit. Frieden. Wohlstand. Die Reihenfolge ist bisweilen verschieden.
Auf dem Gehweg vor der Terrasse erklärt ein Vater seiner etwa sechsjährigen Tochter, weshalb es einige Inseln bald nicht mehr geben wird. Das Mädchen trägt ein farbenfrohes rotes T-Shirt. Es fragt, was mit den Menschen sein wird, die auf diesen Inseln leben. Der Vater erzählt von neuen Lebensräumen. Indonesien baut sich sogar eine komplett neue Hauptstadt. Nie die Hoffnung auf-geben, dass ein Leben weiter möglich sein wird!
Etwas weiter die Straße hinauf ist ein Blumengeschäft, eine kleine Oase zwischen einem Nagelstudio und dem Büro einer Versicherungsmaklerin. Ein Lieferwagen steht in zweiter Reihe. Der Fahrer trägt Pakete und Päckchen aus, drückt an einem Haus auf alle acht Klingeln. Denn Zeit ist Geld. Er hat vermutlich beides nicht im Überfluss. Ein freundlich aussehender junger Mann tritt aus der Haustür. Er lächelt den Paketfahrer freundlich an und lässt ihn ins Haus.
„Man muss mich nicht lieben“, denkt sich der Gerichtsvollzieher wohl, der in diesem Moment das graue Haus gegenüber verlässt, das mit der etwas verwitterten, früher sicher einmal sehr schönen Holztür. Die Familie, die er besucht hat, lebt bereits seit vier Jahren in Deutschland. Die Sprachprobleme der ersten Jahre sind überwunden. Die Kinder kommen gut mit in der Schule. Das Kleingedruckte bei den Ratenkäufen jedoch … Auf dem Fernseher klebt ein Kuckuck. Doch es gibt einen Plan für die Bezahlung. Das wird schon irgendwie gehen. Denn beide Elternteile haben Arbeit.
Die Tochter fragt ihren Vater, warum neben ihrem Haus drei alte Bäume gefällt worden sind. Der Paketzusteller hat drei Häuser weiter angehalten. Klingeln. Irgendwo versteckt sitzen im Laub eines Baumes Vögel und zwitschern.
Ein sehr blauer Himmel. Die Sonne glüht förmlich an diesem Tag. Mitte Mai. Das war früher nicht so.
Wie alt bin ich eigentlich, dass mir so oft Gedanken an früher kommen? Natürlich sind es nicht die nostalgischen „Alles war besser“-Gedanken. Aber es war eben manches anders.
Schon in meiner Kindheit wurde der Bericht des „Club of Rome“ veröffentlicht. Einige Zeit zuvor saßen wir mit der ganzen Familie vor dem Fernseher. Nicht nur wir mussten unbedingt die Mondlandung von Apollo 11 sehen. Knapp die Hälfte meines Lebens gab es Deutschland gleich zwei Mal. Dann wurden die Postleitzahlen fünfstellig. Kriege fanden in der Ferne statt. Mehr oder weniger. „Hitzebeständig“ war eine Beschreibung für ein Geschirr.
Im Familienurlaub war nicht nur der Urlaub auf einem Reiterhof für die Töchter eine Attraktion, auch der Besuch in einem Internetcafé in der nahen Stadt: dreißig Minuten für einen Euro. „Fasse Dich kurz“ war einst ein Slogan des Unternehmens, das heute Telekom heißt.
Auf der Verkehrsinsel am Kreisverkehr blühen Blumen, wachsen Kräuter. Für die Bienen gibt es ein eigenes Biotop in Form eines kleinen Hauses.
Mein Freund fragt mich immer wieder, was wir denn tun können. Wir alleine sind doch hilflos. Das Klima hat sich natürlich verändert – nicht nur das in der Natur, auch das zwischen den Menschen. Beides weiß er. Aber er fragt immer wieder, wie um eine Rechtfertigung zu bekommen. Dass er nicht mehr macht, als er eben kann. Und überhaupt: Ist es nicht ohnehin viel wichtiger, dass China und Indien etwas tun?
Ich habe keine zufriedenstellende Antwort. Nicht mehr zu fliegen, das ist sicher eine Möglichkeit. Aber nicht für jeden, die Lebensumstände sind so verschieden. Und wie soll ich sonst in mein ge-liebtes Arusha kommen, diese für mich so liebenswerte Stadt in Tansania. Mit dem Fahrrad wird das nichts. Bei mir jedenfalls nicht. Also mit einem Diesel-Fernbus? Vielleicht! Nein, eher nicht. Oder mit der Bahn? Lassen wir das. Obwohl es tatsächlich eine Eisenbahn nach Arusha gibt, die eigentlich die Deutschen in ihrer Besatzungszeit fertigstellen wollten. Dann haben es die Briten gemacht, vor knapp einhundert Jahren.
Mit Menschen aus Arusha hatte ich in meiner Zeit als Student einige Brieffreundschaften. Das war interessant. Zu Beginn jedenfalls. Bis mir der Postbote an einem schönen Sommertag fünfund-zwanzig weitere Briefe brachte. Zu viel des Guten. Was wohl aus all den Briefkontakten geworden ist?
El Niño und Regenfälle sind in Tansania gerade wichtigere Themen als Kriege, Zugverspätungen oder die Marsmission eines amerikanischen Milliardärs. Ich wollte dieser Tage noch im „Citizen“ nachlesen, welche Schäden die jüngsten Unwetter angerichtet haben.
Morgen ist auch noch ein Tag. Dann werde ich etwas ändern, etwas Neues anpacken. Heute habe ich noch so viel anderes vor.
Ich könnte meinen Vorgarten begrünen. Die Vorbesitzer haben einen pflegeleichten Bereich mit großen und kleinen Kieseln und einigen Steinplatten vor dem Haus angelegt. Vielleicht werde ich etwas weniger Auto fahren, weniger Fleisch essen. Diese Gedanken kreisen immer wieder, machen müde.
Bevor ich wieder aufbreche, sehe ich noch rasch auf mein Online-Konto. Die Banken haben immer weniger Filialen; eine Überweisung auf Papier würde mich bei kleineren Beträgen mehr kosten als die Mehrwertsteuer beim Kaufpreis. Es ist natürlich praktisch, das alles online machen zu können. Jedenfalls, wenn der Computer ordentlich arbeitet. Und die Internet-Verbindung schnell genug ist. Und überhaupt funktioniert. Stromausfälle gibt es gelegentlich auch. Mit meinem kleinen Laptop lassen sich die natürlich überstehen.
Die Bank möchte bei meinem Login, dass ich mich für eine persönlich zugeschnittene Kundenansprache entscheide. Danach soll ich meine PIN ändern. Aus Sicherheitsgründen. Es sollen jedoch nur Ziffern sein, damit ich bei Bedarf auch telefonische Unterstützung erhalten kann.
Nach der Überweisung sehe ich noch rasch auf die Nachrichtenseite. Ein Verhandlungserfolg bei der Tagung der Wirtschaftsminister und Wirtschaftsministerinnen. Kein Verhandlungserfolg bei der Tagung der Umweltminister. Und Umweltministerinnen. Die Bahn saniert ein weiteres Streckenstück. Die Stiftung Warentest bewertet Katzenfutter: Eines bekommt die Note 5. Kenia wird in den kommenden Jahren 15 Milliarden Bäume pflanzen. Die Oberlausitz bekommt einen großen Mischwald. Eine Partei möchte weniger Bürgergeld, jedoch in den Innenstädten mehr Autos. Studierende in Frankfurt helfen unversicherten Menschen. Die weltweite Arbeitslosigkeit ist zurückgegangen. Ein Fußballverein verliert ein Spiel. Dann noch das Wetter, ohne Überraschungen: Das nach längerer Trockenphase angekündigte Gewitter soll ergiebigen Regen bringen. Wäre es Samstag, kämen nun noch die Lottozahlen.
Mir kommt in den Sinn, dass ich morgen die Tageszeitung wieder einmal in Papierform lesen möchte. Hier in den Weiten des Internets verliere ich zu rasch die Konzentration. Manchmal erinnere ich mich schon kurz nach der Lektüre nicht mehr an alle angesprochenen Themen.
Dark Pattern halten mich fest auf der Seite mit den Nachrichten, wollen, dass ich noch rasch das nächste Video ansehe. Das in angenehme Farben gekleidete Angebot eines Abonnements ist un-schlagbar, gilt jedoch nur noch dreizehn Minuten. Kaum Zeit, einen Espresso zuzubereiten!
Am Rand der Seite erscheint eine Werbung: „Mein Mann ist jetzt ein Baum.“ Ist das ein Trost?
Morgen werde ich mich über den „Lancet Countdown Report“ informieren. Jetzt muss ich allerdings wirklich aufbrechen.
Eine vorbeifahrende Straßenbahn holt mich aus meinen Gedanken. Auf dem Gehweg gegenüber stützt sich ein alter Mann auf seinen Rollator, seine junge Begleitung unterhält sich freundlich mit ihm.
Das Mädchen mit dem roten T-Shirt lacht seinen Vater an. „Sieh mal, Papa, hier sitzt eine kleine Eidechse auf dem Stein!“
XXXXtrahlende Sonne flutet an diesem Morgen durch die großen Fenster des Hauses in Bensberg. Felix Stern liebt seinen Beruf, er ist Lotto-Gewinn-Berater für den Bereich Köln rechtsrheinisch und Bergisches Land. Er bringt nicht das Geld in bar vorbei, sondern berät die Menschen, die bisweilen mit dem plötzlich etwas größeren Guthaben ein wenig überfordert sind. Zwar geht er nicht bereits bei drei Richtigen los, doch wenn die gewonnene Auszahlung die 100.000 Euro übersteigt, wird er von der Lotto-Zentrale informiert und besucht die zumeist glücklichen Gewinner zu Hause.
Felix sitzt an seinem Küchentisch und bereitet sich sein Butterbrot vor. Ein eher symbolischer Begriff, denn Butter verwendet Felix gar nicht, dafür eine feine Mirabellen-Marmelade, die, wie das Etikett anzeigt, aus dem Oberbergischen kommt. Felix findet es gut, wenn er Lebensmittel aus der näheren Umgebung bekommen kann.
An diesem Vormittag erhält Felix Stern neue Meldungen der Lotto-Zentrale für das von ihm betreute Gebiet. Wobei es immer wieder vorkommt, dass ein frisch gebackener Millionär zwar in Bergisch Gladbach seinen Schein ausgefüllt und abgegeben hat, jedoch in – zum Beispiel – Overath wohnt. Oder noch weiter entfernt.
Dr. Victoria Stettner lebt bereits seit einigen Jahren allein am Quirlsberg in einem Haus, das ihr seit dem Tod ihres Ehemanns eigentlich etwas zu groß ist. Zwar spielt sie regelmäßig Klavier und gelegentlich Lotto, sie hat jedoch keine festen Zahlen, die stets gespielt werden müssen. Und den Lotto-Zettel verlegt sie in der weitläufigen Wohnung ab und zu. Darum wundert sie sich sehr, als es an der Haustüre klingelt. Sie legt die Zeitschrift, in der sie gerade geblättert hat, auf den Tisch, erhebt sich von ihrem sehr gemütlichen Sofa und geht zur Tür. Auf dem Weg fällt ihr wieder ein, dass ein Herr Stern angerufen und seinen Besuch angekündigt hatte. Vor drei Tagen, aber das hat sie bereits wieder verdrängt. Es sind so viele Dinge, die sie die meiste Zeit beschäftigen.
Sie findet Herrn Stern auf Anhieb sympathisch, doch spürt sie in seinen Worten eine nüchterne Sachlichkeit. Victoria Stettner tut sich sehr schwer damit, Hilfe oder Ratschläge von Anderen anzunehmen, schließlich hat sie mit ihren 68 Jahren eine entsprechend große Lebenserfahrung. Und zudem einen Doktor-Titel. Dennoch nimmt sie, schon wegen der netten Gesprächsatmosphäre, die Anregungen des Glücks-Beraters zum Umgang mit dem Lotto-Gewinn aufmerksam zur Kenntnis und beabsichtigt, sich das ausgehändigte Merkblatt „Sechs Richtige – und nun?“ in einer konzentrierten Minute tatsächlich anzusehen.
Leider geht der eloquente Herr Stern bereits nach der zweiten Tasse Kaffee wieder. Victoria Stettner schließt die Tür hinter ihm, stellt sich ans Fenster und schaut durch die Gardine, wie er die Straße hinunter geht und aus ihrem Blickfeld verschwindet.
Felix hat Pause. Er blättert in einer etwas älteren Studie. Macht ein Lotto-Gewinn glücklich? Und wenn ja, wie viel Geld darf es dann sein. Die Studie stellt zu Felix’ Überraschung fest, dass bei etwa 100.000 Euro das Maximum des Glücks erreicht sei.
Er muss lächeln. Ja, vor einiger Zeit war er bei einer Frau, die mit ihrem recht hohen Lotto-Gewinn zunächst in den Supermarkt gehen und frische Pastete kaufen wollte. Sie meinte mit einem sehr zufriedenen Lächeln, dass sie von nun an keine in Plastikfolie abgepackte Wurst mehr in ihren Einkaufswagen legen würde. Wie einfach Glück sein kann.
Erich Tietz kann sich seit langer Zeit nicht mehr alleine anziehen, viele Bewegungen fallen ihm schwer. Deshalb kümmern sich verschiedene Frauen – und immerhin auch ein Mann – des Pflegedienstes Bergischer Sonnenschein um ihn. Nicht nur bei den notwendigen Verrichtungen, auch bei schönen Dingen wie dem Lotto-Spiel. Schon lange vor seinem Ruhestand hat er begonnen, jede Woche für die Samstags-Ziehung vier Reihen zu spielen. Immer dieselben Zahlen. Daher ist es ihm wichtig, keine Woche zu verpassen, denn es wäre unglaublich bitter, wenn seine Zahlen gezogen werden würden und er hätte gerade dieses eine Mal nicht gespielt. Beata Miłośna ist die treue Sonnenschein-Seele, die die kleine Zusatzaufgabe übernommen hat, die Lotto-Scheine in der Annahmestelle regelmäßig abzugeben.
Als Felix klingelt, erhebt sich Beata und öffnet die Türe. Sie kann sich denken, wer auf der anderen Seite steht, denn er hat sein Kommen telefonisch angekündigt. Mit einem warmen Lächeln öffnet Beata und bittet Felix herein, bietet ihm einen Platz auf dem Sofa und Kaffee – oder gerne auch Tee – an. Felix kann nicht anders, Beatas Herzlichkeit nimmt ihn gefangen. Er beobachtet, mit welch großer Wärme und Zuwendung sie sich um den alten Herrn kümmert, und muss sich einen Ruck geben, damit er konzentriert und in sachlichem Ton dem in seinem Rollstuhl sitzenden Herrn Tietz die Details der Abwicklung und insbesondere mögliche Konsequenzen des beachtlichen Lotto-Gewinns erläutern kann.
Wieder wird Felix an die Tür gebracht, dieses Mal fällt ihm jedoch der Abschied etwas schwerer. Beata hat ein sanftes Lächeln auf den Lippen, als sie ihm die Tür öffnet. Und ihm scheint, ihre Augen würden ein wenig strahlen. Vielleicht bildet er sich das auch nur ein, sagt er zu sich, und geht langsam in Richtung Bushaltestelle.
Felix sitzt in dem kleinen Café in der Laurentiusstraße, isst ein Bananenbrot mit Erdnussmus und denkt nach. Nebenbei sieht er auch in die Zeitung, sinniert über das Leben und das Glück. Im Oktober ist ihm der Begriff Herbstzeit-Lose eingefallen. Er schmunzelt über das Wortspiel. Solche Kleinigkeiten erfreuen ihn immer.
In einem modernen Bungalow in Kürten setzt sich Albert Rohdenbach gerade in seinen bequemen Ohrensessel und schlägt die Zeitung auf, als das Telefon klingelt. Der Lotto-Gewinn-Berater möchte einen Besuchstermin abstimmen. Dass ein ansehnlicher Gewinn auf ihn wartet, das hat Herr Rohdenbach bereits der Tageszeitung entnommen, in der er sich stets als Erstes die Ergebnisse der Ziehung der Lottozahlen ansieht. So vereinbart er mit Felix Stern für übermorgen einen Termin – und überlegt bereits, was er da wohl Neues erfahren würde.
Lena Schanz studiert an der Fachhochschule in Bergisch Gladbach im ersten Semester. Es ist eher untypisch, denkt Felix, dass junge Leute Lotto spielen. Aber gut, die Studentin hat gespielt und tatsächlich einen ordentlichen Gewinn erzielt. Bei dem Beratungsgespräch stellt sich heraus, dass sie sich natürlich über den plötzlichen Reichtum freut, doch trotz aller studentischen Feiern oft einsam fühlt. Diese Erkenntnis öffnet Felix das Herz, er fühlt mit der jungen Frau und nimmt sich etwas mehr Zeit für das Gespräch, als es sonst üblich ist.
Felix besucht in dieser Woche noch vier weitere Gewinner von ziemlich großen Beträgen. Manchmal wird er zunächst skeptisch, dann jedoch in der Regel bald vertrauensvoll aufgenommen. Der Kaffee-Konsum in einer intensiven Beratungswoche ist recht beachtlich.
Als Felix Stern den kleinen Supermarkt in der Fußgängerzone verlässt und nach links in Richtung S-Bahnhof geht, erkennt er ein ihm bekanntes Gesicht. Die Papiertüte mit dem großen roten ‚A‘ in ihrer Hand deutet darauf hin, dass Beata Miłośna in der Apotheke gewesen ist. Vielleicht hat sie Medikamente für Herrn Tietz besorgt. Felix lächelt. Er hält sich für zurückhaltend, möglicherweise sogar für etwas schüchtern. Doch jetzt schlägt sein Herz deutlich spürbar. Da sie direkt vor einem Café stehen, fragt Felix, ob sie Zeit für einen Kaffee habe. Als Beata antwortet, scheinen Ihre Augen wieder zu strahlen.
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(Diese Geschichte ist im Rahmen des Carpe Gusta Literatur Awards 2024 erschienen.)